Widerrufsrecht bei Darlehensverträgen: EuGH mit verbraucherfreundlichem Urteil

09.04.2020, Autor: Herr Guido Lenné / Lesedauer ca. 3 Min. (313 mal gelesen)
Über die aktuelle Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) werden sich Darlehensgeber wohl kaum freuen. Dieser kippte mit seinem Urteil nämlich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum sogenannten Kaskadenverweis in den Widerrufsbelehrungen der Banken. In der Folge können nun tausende Darlehensverträge noch widerrufen werden.

Werden Verbraucher nämlich nicht angemessen über ihr Widerrufsrecht informiert, können sie ihre Vertragserklärung auch Jahre später noch widerrufen. Die geschlossenen Darlehensverträge sind dann rückabzuwickeln.

Widerruf: Vorteile für Verbraucher

Wenn ein Darlehensvertrag widerrufen wird, ist er rückabzuwickeln und die beiderseits empfangenen Leistungen sind zurückgegeben. Für Darlehensnehmer hat das den Vorteil, dass die Darlehensverträge vorzeitig beendet werden können, ohne dass eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt werden muss.

Abhängig vom Zeitpunkt, zu dem man den Darlehensvertrag abgeschlossen hat, muss außerdem nicht die volle Restschuld zurückgezahlt werden, weil der Verbraucher auf sein eigenes, der Bank zur Verfügung gestelltes Kapital (gezahlte Raten/Sondertilgungen) Nutzungsersatz, sprich Zinsen, verlangen kann. Der Verbraucher steht so also günstiger, als wenn er das Darlehen regulär zurückzahlen würde.

Bei Immobiliardarlehensverträgen, also bei grundpfandrechtlich gesicherten Verträgen (bei der Immobilienfinanzierung der Regelfall), haben die Verbraucher zudem die Möglichkeit nachzuweisen, dass der Wert ihres Gebrauchsvorteils niedriger als der Vertragszins war, sodass sie nur den niedrigeren Betrag zahlen müssen. Um den Gebrauchsvorteil zu berechnen, kann auf den marktüblichen Zins abgestellt werden. Dieser ist meistens ganz unproblematisch anhand der Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank zu ermitteln. Der Verbraucher hat also bei einem Immobiliardarlehensvertrag die Möglichkeit, eine Teilerstattung von bereits gezahlten Zinsen zu erzielen.

Die Abnahme eines abgeschlossenen Forward-Darlehens kann ebenfalls durch den Widerruf des Vertrags verhindert werden. Wird ein Forward-Darlehensvertrag widerrufen, muss die Darlehensvaluta nicht mehr abgenommen werden, ohne dass dabei eine Nichtabnahmeentschädigung zu zahlen wäre.

Solche Forward-Darlehensverträge wurden in den vergangenen Jahren von Verbrauchern primär deshalb geschlossen, um sich im Vorfeld einen günstigen Zinssatz zu sichern. Unnötigerweise, wie sich nun herausstellte, denn meistens ist eine Folge- oder Umfinanzierung auch heute noch günstiger als ein Forward-Darlehen, das vor einigen Jahren eingegangen wurde.

Das EuGH-Urteil zum Kaskadenverweis

In nahezu jedem Verbraucherdarlehensvertrag, der nach dem 11.06.2010 abgeschlossen wurde, ist folgende Formulierung zu finden:

„Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“

Der BGH hatte zuvor festgestellt, dass die Formulierung in einem Verbraucherdarlehensvertrag, die Widerrufsfrist beginne „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat“, den Darlehensnehmer klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist informieren würde (BGH-Urt. v. 22.11.2016 - Az.: XI ZR 434/15).

Diese Rechtsprechung des BGH hat der EuGH nun mit seinem Urteil vom 26.03.2020 – Az.: C 66/19 – gekippt. Darin entschied er, dass die betreffende Formulierung keineswegs geeignet sei, den Verbraucher ordnungsgemäß über die Voraussetzungen für den Fristbeginn zu informieren. Der Verbraucher könne mit dem Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB, rein auf Grundlage des Vertrags, den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung nicht bestimmen. Auch könne er nicht überprüfen, ob der geschlossene Vertrag alle gemäß dieser Bestimmung erforderlichen Angaben enthält, und schon gar nicht, ob die Widerrufsfrist entsprechend für ihn zu laufen begonnen hat (vgl. EuGH-Urt. v. 26.03.2020 - C 66/19 - Rn. 44).

Damit hat der EuGH der verbraucherunfreundlichen Rechtsprechung des BGH eine klare Absage erteilt. Der Gerichtshof der Europäischen Union betonte zudem, dass, angesichts ihrer Bedeutung für den Verbraucherschutz, die Informationen über das Widerrufsrecht für Darlehensnehmer von elementarer Bedeutung seien. Damit Verbraucher nämlich vollumfänglich von diesen Informationen profitieren können, müssen sie im Vorfeld sämtliche Fristen, Bedingungen und Modalitäten für die Ausübung ihres Widerrufsrechts kennen (vgl. EuGH-Urt. v. 26.03.2020 – Az.: C 66/19 - Rn. 37).

Darlehensverträge noch widerrufbar

Laut der EuGH-Rechtsprechung wurden Darlehensnehmer, bei Verwendung der oben zitierten Formulierung, also nicht ordnungsgemäß über die Voraussetzungen für den Fristbeginn informiert, weshalb die Frist für den Widerruf nie angelaufen ist. In der Folge kann der Darlehensvertrag auch jetzt noch widerrufen werden (vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung).

Ungeachtet der ursprünglichen BGH-Rechtsprechung ist also auch Jahre später noch eine Lösung vom Darlehensvertrag möglich, ohne eine Vorfälligkeits- oder Nichtabnahmeentschädigung zahlen zu müssen.

Wenn auch Sie in Ihrem Darlehensvertrag (unter „Widerrufsinformation“) die oben zitierte Formulierung finden, berät die Anwaltskanzlei Lenné Sie gerne. Wir prüfen Ihren Vertrag und erörtern mit Ihnen, ob auch in Ihrem Fall ein Widerruf möglich ist. In diesem Zusammenhang übernehmen Rechtsschutzversicherungen regelmäßig die Kosten für die anwaltliche Beratung bzw. Vertretung. Vereinbaren Sie einfach einen Termin für ein kostenloses Erstgespräch in unserer Kanzlei.

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