Unberechtigte Kündigung eines Bausparvertrages durch Bausparkasse –
08.01.2016, Autor: Herr Hartmut Göddecke / Lesedauer ca. 3 Min. (493 mal gelesen)
In der aktuellen Niedrigzinsphase sind nicht in Anspruch genommene Bausparverträge aus den 80er oder 90er Jahren mit hohen Guthabenzinsen bares Geld wert. Nicht selten wurden damals zusätzliche Bonuszinsen für die Zeit der Nichtauszahlung des Darlehens vereinbart. Diese Altverträge bescheren den Bausparkassen momentan erhebliche Verluste, die mit Kündigungen der Verträge begrenzt werden sollen. Das Amtsgericht (AG) Ludwigsburg hat mit Urteil vom 07.08.2015 – 10 C 1154/15 einen solchen Fall nun zu Gunsten des Bausparers entschieden.
Im Mai 1988 schlossen der Verbraucher und die Wüstenrot Bausparkasse einen Vertrag mit einer Bausparsumme von 50.000 DM. In der Folgezeit wurde der Vertrag in zwei Teilverträge unterteilt und einer der beiden bereits im Juli 1993 abgerechnet und ausbezahlt. Mit einem undatierten Schreiben teilte die Wüstenrot dem Bausparer mit, dass der zweite Vertrag zum 01. Juli 2002 zuteilungsreif werde, d.h. das Mindestsparguthaben erreicht sei und das Bauspardarlehen nun ausgezahlt werden könne. Der Bausparer reagierte hierauf jedoch nicht und zahlte den Regelsparbeitrag weiter ein. Im Juli 2013 wandte sich die Bauparkasse erneut an ihren Kunden und erklärte, dass dieser den Bausparvertrag selbstverständlich bestehen lassen könne, jedoch verringere sich der Darlehensanspruch mit jeder weiteren Einzahlung. Zwei Jahre später kündigte die Wüstenrot den Bausparvertrag und berief sich dabei auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Diese Vorschrift aus dem Darlehensrecht gewährt dem Darlehensnehmer zehn Jahre nach dem vollständigen Empfang unter bestimmten Umständen ein Kündigungsrecht des Darlehensvertrages. Damit soll der Darlehensnehmer vor Risiken aus nicht vorhergesehenen Zinsänderungen geschützt werden.
Kein Kündigungsrecht für die Bausparkasse aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB
Das AG Ludwigsburg schloss sich nun der Auffassung des Bausparers an, der die Kündigung nicht akzeptieren wollte und stellte fest, dass die genannte Vorschrift der Bausparkasse kein Kündigungsrecht einräume. Zwar handele es sich bei einem Bausparvertrag um einen Darlehensvertrag, bei dem der Bausparer und die Bausparkasse mit Auszahlung der Darlehenssumme die Rollen tauschten. So sei der Verbraucher während der Ansparphase der Darlehensgeber und die Bank der Darlehensnehmer. In der Darlehensphase tauschten die Parteien dann die Rollen. Jedoch habe der Gesetzgeber bei Schaffung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB den „normalen“ Darlehensfall im Auge gehabt, bei dem der Darlehensgeber der wirtschaftlich stärkere, „zinsbestimmende“ Vertragsteil sei und der Darlehensnehmer der wirtschaftlich schwächere. Diese Voraussetzungen seien bei einem Bausparvertrag aber gerade nicht gegeben. Der Bausparer sei hier eben nicht der wirtschaftlich stärkere Vertragspartner und bestimme auch nicht den Zinssatz. Bereits aus diesen Gründen sei die Kündigung des Vertrages durch die Bausparkasse unwirksam und der Vertrag bestehe fort.
Ist „Zuteilungsreife“ gleichbedeutend mit „vollständigem Empfang“?
Weiter führte das Gericht aus, dass die Kündigung des Bausparvertrages selbst dann nicht wirksam sei, wenn man § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu Gunsten der Bausparkasse für anwendbar halten würde. Entgegen der Auffassung einiger Landgerichte, sei die Zuteilungsreife eines Bausparvertrages nämlich nicht gleichbedeutend mit dem vollständigen Empfang der Darlehenssumme innerhalb eines Darlehensvertrages, wie es die genannte Norm erfordere. Würde man dieses Merkmal auf einen Bausparvertrag übertragen, so müsste die „geschuldete“ Darlehenssumme von vornherein festgelegt sein. Dies ist bei einem Bausparvertrag aber gerade nicht der Fall. Hier ist lediglich die Bausparsumme und mittelbar die Zuteilungsreife geregelt.
Viele Bausparkassen versuchen sich momentan von Altverträgen zu lösen, um eigene Verluste zu begrenzen. Liegt doch der damals vereinbarte Zins regelmäßig über dem aktuellen Zinsniveau. Die Entscheidung des AG Ludwigsburg könnte dieser verbraucherunfreundlichen Praxis nun Einhalt gebieten. Bausparer sollten sich nicht auf juristisch haltlose Kündigungsschreiben einlassen. In jedem Fall ist die Überprüfung der eigenen Verträge durch einen spezialisierten Rechtsanwalt zu empfehlen.
Hartmut Göddecke
Göddecke Rechtsanwälte
Auf dem Seidenberg 5
53721 Siegburg
02241/1733-0
www.kapital-rechtinfo.de
Im Mai 1988 schlossen der Verbraucher und die Wüstenrot Bausparkasse einen Vertrag mit einer Bausparsumme von 50.000 DM. In der Folgezeit wurde der Vertrag in zwei Teilverträge unterteilt und einer der beiden bereits im Juli 1993 abgerechnet und ausbezahlt. Mit einem undatierten Schreiben teilte die Wüstenrot dem Bausparer mit, dass der zweite Vertrag zum 01. Juli 2002 zuteilungsreif werde, d.h. das Mindestsparguthaben erreicht sei und das Bauspardarlehen nun ausgezahlt werden könne. Der Bausparer reagierte hierauf jedoch nicht und zahlte den Regelsparbeitrag weiter ein. Im Juli 2013 wandte sich die Bauparkasse erneut an ihren Kunden und erklärte, dass dieser den Bausparvertrag selbstverständlich bestehen lassen könne, jedoch verringere sich der Darlehensanspruch mit jeder weiteren Einzahlung. Zwei Jahre später kündigte die Wüstenrot den Bausparvertrag und berief sich dabei auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Diese Vorschrift aus dem Darlehensrecht gewährt dem Darlehensnehmer zehn Jahre nach dem vollständigen Empfang unter bestimmten Umständen ein Kündigungsrecht des Darlehensvertrages. Damit soll der Darlehensnehmer vor Risiken aus nicht vorhergesehenen Zinsänderungen geschützt werden.
Kein Kündigungsrecht für die Bausparkasse aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB
Das AG Ludwigsburg schloss sich nun der Auffassung des Bausparers an, der die Kündigung nicht akzeptieren wollte und stellte fest, dass die genannte Vorschrift der Bausparkasse kein Kündigungsrecht einräume. Zwar handele es sich bei einem Bausparvertrag um einen Darlehensvertrag, bei dem der Bausparer und die Bausparkasse mit Auszahlung der Darlehenssumme die Rollen tauschten. So sei der Verbraucher während der Ansparphase der Darlehensgeber und die Bank der Darlehensnehmer. In der Darlehensphase tauschten die Parteien dann die Rollen. Jedoch habe der Gesetzgeber bei Schaffung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB den „normalen“ Darlehensfall im Auge gehabt, bei dem der Darlehensgeber der wirtschaftlich stärkere, „zinsbestimmende“ Vertragsteil sei und der Darlehensnehmer der wirtschaftlich schwächere. Diese Voraussetzungen seien bei einem Bausparvertrag aber gerade nicht gegeben. Der Bausparer sei hier eben nicht der wirtschaftlich stärkere Vertragspartner und bestimme auch nicht den Zinssatz. Bereits aus diesen Gründen sei die Kündigung des Vertrages durch die Bausparkasse unwirksam und der Vertrag bestehe fort.
Ist „Zuteilungsreife“ gleichbedeutend mit „vollständigem Empfang“?
Weiter führte das Gericht aus, dass die Kündigung des Bausparvertrages selbst dann nicht wirksam sei, wenn man § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu Gunsten der Bausparkasse für anwendbar halten würde. Entgegen der Auffassung einiger Landgerichte, sei die Zuteilungsreife eines Bausparvertrages nämlich nicht gleichbedeutend mit dem vollständigen Empfang der Darlehenssumme innerhalb eines Darlehensvertrages, wie es die genannte Norm erfordere. Würde man dieses Merkmal auf einen Bausparvertrag übertragen, so müsste die „geschuldete“ Darlehenssumme von vornherein festgelegt sein. Dies ist bei einem Bausparvertrag aber gerade nicht der Fall. Hier ist lediglich die Bausparsumme und mittelbar die Zuteilungsreife geregelt.
Viele Bausparkassen versuchen sich momentan von Altverträgen zu lösen, um eigene Verluste zu begrenzen. Liegt doch der damals vereinbarte Zins regelmäßig über dem aktuellen Zinsniveau. Die Entscheidung des AG Ludwigsburg könnte dieser verbraucherunfreundlichen Praxis nun Einhalt gebieten. Bausparer sollten sich nicht auf juristisch haltlose Kündigungsschreiben einlassen. In jedem Fall ist die Überprüfung der eigenen Verträge durch einen spezialisierten Rechtsanwalt zu empfehlen.
Hartmut Göddecke
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